Donnerstag, 11. November 2010
Die verlorene Generation oder warum ich Jack Wolfskin hasse
Schon lange stand der Titel fest, aber mir fehlte die nötige Inspiration. Aber langsam ist die Situation fast unerträglich geworden. Unser Stadtbild wird beherrscht von Outdoorspezialisten. Egal wo man hinschaut, egal wo man ist. Sie sind überall, in jedem Bezirk, jede Altersklasse ist vorhanden, gerne auch paarweise. Die Träger von Jack- Wolfskin-Jacken. Nun aber erst einmal der Reihe nach.

Im Sommer diesen Jahres, weilte ich zum Kurzurlaub auf dem Darß, um genau zu sein, war ich in Zingst. Bei einem meiner geliebten Standspaziergänge sah ich es dann mit aller Deutlichkeit und visueller Macht. Die Generation der 25 - 32 jährigen macht keinen Urlaub mehr an der Ostsee. Zu mindestens nicht da wo ich in den letzten Jahren war. Der Strand wird übervölkert von sandburgenbauenden, kinderhabenden, übergewichtigen Menschen. Hat schon mal einer in diesem Sommer Versucht am Wasser ein kleines Läufchen zu machen? Ich ja. Danach habe ich mich gewundert, dass ich ohne größere Verletzungen davon gekommen bin. Beim Umrunden von Sandburgfundamenten, die Ausmaße eines entstehenden Parkhauses haben, sollte man die Konzentration immer auf den geliebten Nachwuchs richten. Kinder ändern ihre Richtung sehr spontan und mit kindereigenen Tunnelblick. Mit den dazu gehörigen Eltern will man sich so wieso nicht anlegen. Als Sportler wurde ich so wie so schon misstrauisch beäugt. Und schließlich habe ich keine Erfahrungen im Sumoringen. Und das ist wirklich nicht mehr schön. Jeder scheint hier Übergewicht zu haben. Früher haben sich beleibte Menschen hinter Strandkörben versteckt, heute präsentieren sie ihren krankhaften Bodymaßindex mit einer Selbstverständlich, dass ich mich nur noch wundern kann. Nun jogge ich ja am Strand nicht nur aus sportlichen Aspekten. Man will ja schließlich auch seinem Auge etwas gönnen. Aber Fehlanzeige überall wo man hinsieht beleibte, dicht gedrängte Menschen. Unweigerlich hatte ich ein Bild von Walross - und Robbenkolonien zur Paarungszeit vor meinem geistigen Auge. Wo macht der kinderlose, schlanke, attraktive Mitzwanziger Urlaub? Jedenfalls nicht an der Ostsee. Und wenn dann versteckt er sich oder erholt sich in abgelegenen Reservaten. Aber Generation Fett hat noch eine andere Eigenschaft außer zu essen und feuchte Erdmassen zu bewegen. Fehlende körperliche Fitness wird kaschiert, durch die besagt Outdoorbekleidung. Eine Filiale in Zingst lockte mit Sonderangeboten. Die Temperaturen sackten auf grausige 20 °C ab, dazu frischte der Wind auf und fern am Horizont zogen Wolken auf. Es bestand also unmittelbar Gefahr für Leib und Leben. Es war wie eine Epidemie. Jeder hatte eine Softshelljacke an, gerne auch im Partnerlook. Anfänglich von mir wenig beachtet. Aber nach 2 Minuten auf der Strandpromenade konnte ich mein Blick überall schweifen lassen. Zingst wurde von der Wolfspfote eingenommen. Ich erlebte eine Uniformierung, wie früher nur am 1. Mai. Es setzte so zu sagen der Herdentrieb ein. Ich hoffte auf einen kurzzeitigen Effekt. Fehlanzeige! Bei meiner Rückkehr nach Berlin, musste ich erkennen, dass aus der Epidemie eine Pandemie geworden ist. War es vor wenigen Jahren noch der Wettstreit zwischen Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain, der Kampf zwischen Northface und Jack Wolfskin, zwischen Latte und Ingwertee, ist es jetzt zu einer Massenbewegung mutiert. Aber mal ehrlich. Jedes Jahrzehnt hatte seine Mode. Ich werde jetzt mein Marmorwashjeans anziehen, dazu mein Buffalos, ergänzt von der Bomberjacke, dem PLO-Tuch und den Glitzersteinen. Mit TakeThat auf den Lippen, mit dem Ipod um den Hals werde ich durch Friedrichshain tanzen. Vielleicht bin ich der Anfang eines neuen Trends, über den ich mich dann wieder wundern kann.

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